Sprachgewohnheiten ändern sich #
Das Konstante an Sprachgewohnheiten ist, dass sie sich ständig ändern. Sprache ist eben ein dynamisches Kulturgut und entwickelt sich auf natürliche Art weiter. Sonst wären wohl niemals komplexe Sprachen entstanden. Das hat was Gutes, und solange nicht zu dogmatisch von oben herab eingegriffen und diktiert wird, ist ja alles im grünen Bereich.
Eine Grundsatzfrage #
Im Zusammenhang mit Telefonansagen für Unternehmen trudelt regelmäßig eine Grundsatzfrage bei uns ein. Duzen oder Siezen?
Wann kann sich eine Firma erlauben, ihre Kunden zu duzen? Knifflige Frage. Das wichtigste Kriterium ist - Authentizität.
Von den schwedischen Gewohnheiten inspiriert, hat eine populäre Möbelkette vor mehr als 20 Jahren, quasi im Alleingang das Duzen von Kunden in Deutschland eingeführt. Ein gewagter, erfolgreicher Schritt. Er hat die Corporate Identity des Konzerns geschärft und ins Bewusstsein vieler Menschen gebracht: Wir sind locker, bodenständig und so weiter.
Machen wir uns nichts vor: Hinter den Kulissen betreibt Ikea mit den üblichen Tools wie Stiftung in Liechtenstein oder dem Verkauf der Marke innerhalb des Konzerns, genau wie viele andere Großunternehmen knallharte Steuervermeidung.
Vielleicht ist der Konzern ja trotzdem total locker, doch das bedeutet noch lange nicht, dass die saloppe Ansprache mit DU für jedes Unternehmen funktioniert, das sich mal eben einen jugendlichen Anstrich verpassen möchte. Ikea ist eben Ikea. Mittlerweile haben allerdings auch andere bekannte Marken nachgezogen, Apple und Adidas zum Beispiel.
Der Status Quo #
Zum Thema Duzen von Kunden gibt es bislang kaum seriösen Analysen. Das Innenleben deutscher Unternehmen beleuchtet eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Königsteiner Gruppe und der Jobbörse stellenanzeigen.de. Danach duzen mehr als 68 Prozent (zwei Drittel) der Beschäftigten ihre Führungskraft. 70 Prozent der 1055 Befragten würden den Führungsstil ihrer Vorgesetzten als freundschaftlich beschreiben.
Doch unter der heilen Oberfläche zeigen sich auch Abgründe: 33 Prozent sind unzufrieden mit Ihren Vorgesetzten. Kritikpunkte: Bevorzugung von Kollegen, Schmücken mit fremden Federn, toxischer Führungsstil. Schon traurig. Doch das ist ein anderes Thema.
Wie sieht es bei Ihnen aus? #
Werden in Ihrem Unternehmen alle geduzt? Also wirklich alle, bis zum CEO? Wenn dem nicht so ist, warum sollten Sie dann Ihre Kunden duzen? Klar, manchmal ist der Umgang mit Kunden persönlicher und vertrauter, als innerhalb der Firma. Dann wäre es in Ordnung, die persönliche Beziehung zu den Kunden zu intensivieren. Doch alles in allem sollte das Duzen am Telefon Ausdruck der eigenen Identität sein und nicht dem Wunsch entspringen, auf einen Trend aufzuspringen.
Wohin geht der Trend? #
Das Siezen innerhalb der Firma hat schon länger ein angestaubtes Image und wird oft mit einer hierarchischen Denk- und Arbeitsweise in Verbindung gebracht. Tatsächlich kann das DU, wenn es aus einem ehrlichen Impuls heraus genutzt wird, emotionale Verbundenheit, ein besseres Miteinander und ein angenehmeres Arbeitsklima fördern. In der Kunden-Kommunikation sieht die Sache allerdings etwas anders aus.
Viele Kunden finden das Siezen angemessener oder seriöser. Laut einer GfK-Studie immerhin 38,7 Prozent. Gerade finanzkräftige Kundengruppen legen oft Wert auf professionelle Distanz. Diese Klientel könnte eine legere Anredeform als übergriffig oder weniger kompetent werten. Deshalb nutzen manche Unternehmen in der Werbung die Du-Form, aber im persönlichen Gespräch die Sie-Form.
Die freundschaftliche Nähe des Duzens könnte bei Kunden auch hohe oder falsche Erwartungen wecken: Schnelle Reaktionszeiten, individuelle Beratung oder niedrige Preise zum Beispiel. Freunde sind ja gerne und immer für uns da, auch nach 17 Uhr und am Wochenende. Andererseits: Warum sollte sich ein Unternehmen hinter dem förmlichen SIE verstecken, das diese Erwartungen erfüllen kann?
Fakt ist: Das Duzen hat definitiv Aufwind. B2C-Branchen wie Sport, Freizeit und Mode haben schon einiges an Vorarbeit geleistet. Auch die Kundenkommunikation unterliegt dem gesellschaftliche Wandel. Selbst wenn die Sprachpolizei bei manchen Themen sehr streng unterwegs ist: Tendenziell wird der Umgangston lockerer.
So unterschiedlich duzen Pioniere: #
- Ausschließlich in der Werbung
- In Telefonansagen, aber nicht im persönlichen Gespräch
- In Telefonansagen und im persönlichen Gespräch
- Nur, wenn eine persönliche Beziehung zum Kunden besteht
- Nur situationsabhängig oder wenn sich beide Seiten einig sind
- Wenn das DU den regionalen Gepflogenheiten entspricht
Unsere Prognose für Telefonansagen #
Selbst Aldi behauptet, das Duzen sei mittlerweile Bestandteil der eigenen Unternehmenskultur. Wenn ein Trend bei derart gediegenen Unternehmen ankommt, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass er allmählich zum Standard wird. Wieviel Zeit dieser Wandlungsprozess noch benötigt, lässt sich schwer sagen. In Umfragen bekennen immerhin über 30 Prozent der Teilnehmer, dass sie das DU in der Unternehmenskommunikation sympathisch finden, wenn es zum Anbieter passt. Sollte das bei Ihrer Firma der Fall sein, lieber gleich umstellen, bevor es alle machen.
Sachdienliche Hinweise #
- Kunden und Team sollten sich mit dem Duzen wohlfühlen
- Ob DU oder SIE: Immer schön auf Augenhöhe kommunizieren
- Im B2B werden bislang nur gute Bestandskunden geduzt
- Tipp: Kunden per Mailing befragen, welche Ansprache sie bevorzugen